Schlachtfest

Naturfotografie

Schlachtfest in den 1950er Jahren

Mein Vater hat das Hausschlachten von seinem Vater erlernt und auch die nötigen Werkzeuge, Bolzenschussgerät und die extrem scharfen Schlachtermesser, später von ihm geerbt.
Diese werden heute von meinem Neffen verwahrt, der im Winsener Museum engagiert ist.
Im Folgenden ein Foto aus unserem Familienalbum, wahrscheinlich aus dem Jahr 1956, in Winsen bei meinen Großeltern mütterlicherseits. Das Foto zeigt rechts meine Oma Magda von Fintel, links die beiden Schlachter August und Gerhard Pahl
und in der Haustür meine Mutter Ilse und mich.

Unsere Großeltern haben auf ihrem Grundstück Hühner gehalten, ein bis zwei Schweine und während des Krieges auch Ziegen. Das Haus war eine sogenannte Reichsheimstätte, konzipiert für Siedler zur Selbstversorgung mit Gemüse und Kleinvieh.
Unser Vater hat von seinem Vater das Schlachten gelernt und später auch das Werkzeug geerbt, den Bolzenschuss-Apparat und die „allerheiligsten“ Messer; und wahrscheinlich auch die Abschrap-Glocken, von denen eine auf dem Foto (Treppe, oberste Stufe) zu sehen ist. Und auch ich war bei etlichen Schlachtfesten dabei, von klein auf und immer mit gemischten Gefühlen, aber ein Erlebnis war es schon. Und einmal war ich so weit, dass ich entschlossen war Blut zu rühren, was aber offenbar von den Erwachsenen nicht ernst genommen wurde, denn es war schon erledigt, als man mir erlaubt hatte dazuzukommen.

Geschlachtet wurde nicht nur in Winsen Im Saal 7, sondern auch in Tönnhausen bei Onkel Erich und Tante Irmgard und bei der Nachbarfamilie Lüneburg und in Wittorf bei Tante Käthe und Onkel Walter und auch in Wilhelmsburg bei Bauer Matthies, einmal sogar ein Bullenkalb, von dem wir einen Braten abbekamen.

Unsere Wilhelmsburger Kaninchen waren für mich am problematischsten: Einen Sommer lang Streicheltiere und im Winter Sonntagsbraten...
Das Schweine-Schlachtfest war immer ein Großereignis, das generalstabsmäßig vorbereitet werden musste: Rechtzeitig am Vortag den großen Waschkessel in der Waschküche anfeuern, damit genug heißes Wasser da war, erst zum Brühen des toten Schweins, damit sich die Borsten gut abkratzen lassen und dann, um das Fleisch für die Wurst gar zu kochen. Ausreichende Mengen Salz und Gewürze mussten vorher eingekauft sein und auch Kunstdarm für die Mettwürste, während Fleischwurst, Blutwurst, Bregenwurst und Grützwurst in den natürlichen Schweinedarm kamen.

War das Schwein tot, nach Bolzenschuss und Messerschnitt durch die Kehle, musste es ausbluten und das Blut musste gerührt werden, damit es nicht gerinnt. Damit das Ausbluten schneller geht, wurde mit dem Krummholz durch Maul und Kehlschnitt gestoßen. Dann Brühen und die Borsten entfernen mit Metallglocken mit scharfen Kanten. Und dann wurde das Schwein mit einem Trageholz (eben diesem Krummholz), welches an den Hinterbeinen befestigt wurde, an die Wand gehängt an einen extra dafür eingemauerten sehr stabilen Haken. Dann wurde es der Länge nach geöffnet, so dass die Därme vorfielen.

Und dann war Warten angesagt bis der Fleischbeschauer kam, um Proben von Innereien und Muskelfleisch mit dem Mikroskop auf Parasiten zu untersuchen. Hierbei ging es vor allem um Trichinen, aber auch um Leber- und Lungenwürmer, während Spulwürmer im Darm kein Problem waren. Davon durfte ich sogar mal ein paar zu Demonstrationszwecken mit in den Biologieunterricht in die Schule nehmen.

War alles in Ordnung, bekam das Schwein einen Freigabe-Stempel aus Blaubeersaft auf jeden Schinken und das Fleisch durfte weiterverarbeitet werden.
Nachdem das Fleisch für die Wurst gekocht war, durften sich die Nachbarn eine Kanne voll Brühe abholen – und wer mitgeholfen hatte, bekam natürlich auch von Fleisch und Wurst etwas ab.

Ein Teil der Brühe wurde auch verwendet für die Herstellung von Bratwürsten. Dazu wurden Schwarten im Kutter zerkleinert; diese binden besonders viel Wasser und eben auch Brühe, die richtige Würzmischung dazu, die Masse in den Naturdarm und fertig war eine billige, aber schmackhafte Wurstvariante! Unser Vater sagte immer, je feiner die Wurst, umso mehr kann man darin verstecken: Pfoten, Ohren, Schwänze – alles gute Zutaten, die aber so niemand essen mag.

Geschlachtet wurde kurz vor Weihnachten. Und ein besonderer Braten war der Rippenbraten für den 1. Weihnachtstag, gefüllt mit Äpfeln und Rosinen und dann zugenäht, zubereitet meistens von unserer Mutter für die Familien Pahl und von Fintel.